November 22nd, 2013

Alte Rennstrecken: Ruhmreich, aber vergessen

Rouen-Les Essarts

Wie im letzten Jahr, als wir auf dem Weg zum 24 Stunden-Rennen von Le Mans die ehemalige Rennstrecke von Reims besuchten, haben wir in diesem Jahr im Dèpartement Seine-Maritime die einstiege Rennstrecke von Rouen-Les Essarts im Nordwesten Frankreichs besucht.Rouen-Les Essarts war zwischen 1950 bis 1993 Austragungsort zahlreicher nationaler und internationaler Rennveranstaltungen. Fünf Mal wurde auf der Strecke der Große Preis von Frankreich gefahren, aber auch für Läufe zur Motorrad-WM und zur Formel 2 und Formel 3 Europameisterschaft wurde das Asphaltband zwischen den Ortschaften Rouen, Les Essarts und Orival genutzt. Die Strecke bestand wie viele Rennstrecken zu dieser Zeit aus öffentlichen Straßen. Nachdem 1949 zwischen den Orten Orival und Les Essarts eine Verbindungsstrasse durch ein Waldgebiet gebaut worden war, beantragte der in Rouen ansässige ACN (Automobilclud Norand) eine Nutzung der Straße für Motorsportzwecke bei der zuständigen Verwaltung. Nach Erteilung einer Genehmigung stellte der ACN 1950 einen 5,1 km langen Kurs bestehend aus der Verbindungsstraße, anderen Landstraßen und der Route Nationale 840 vor. Den Namen erhielt der Kurs von den nahe gelegenen Ortschaften Rouen und Les Essarts. Start und Ziel der Strecke befanden sich kurz vor einer Bergabpassage die in schnellen Kurvenkombinationen zur Kurve Nouveau Monde, einer Haarnadelkurve in der Nähe der Ortschaft Orival führte. Danach führte ein Anstieg der Strecke mit einer Kombination aus mittelschnellen Kurven und einer langen Geraden, die in einem scharfen Rechtsknick endete, zurück zum Start und Zielbereich, mit Fahrerlager, dem Boxenbereich und dem Starterturm.
Nachdem 1954 die Formel 1 zum vorerst letzten Mal zu einem nicht zur WM zählenden Grand Prix auf der Strecke in der Region Haute-Normandie angetreten war, entschlossen sich die Betreiber der Strecke zu einer Verlängerung des Circuit Rouen-Les Essart. 1956 zeigte sich die Strecke mit einem veränderten Layout und einer Länge von 6,542km. Sie wurde nun auch für Sportwagenveranstaltungen genutzt und ab 1957 kehrte auch die Formel 1 noch viermal zurück auf den Straßenkurs.
Wie alle Straßenkurse dieser Zeit, auf denen fehlende Auslaufzonen wenig Sicherheit boten, ging es auch bei den Hochgeschwindigkeitsschauspielen auf der Strecke von Rouen nicht nur um Siege, sondern oft auch um Leben und Tod. Fünf Todesfälle mussten die Veranstalter im Laufe der Zeit beklagen. Prominenteste Opfer der Strecke waren der während des Formel 1 Grand Prix 1968 in der schnellen bergab Passage tödlich verunfallte Franzose Jo Schlesser und der schottische Rennfahrer Gerry Birrell der während des Formel 2 Laufs am 24.Juni 1973 sein Leben lassen musste. Im Training zum Formel 2 Rennen verlor Birrell in der Virage des Six Frères die Kontrolle über seinem Chevron-Ford BDA/Hart und fuhr geradeaus in die Leitplanken. Die Metallschienen verbogen sich bei dem harten Anprall des Boliden, gaben nach und das Auto rutschte unter der Absperrung hindurch. Birrell hatte nicht den Hauch einer Chance und war auf der Stelle tot.
Nachdem 1980 das letzte Formel 2 Rennen in Rouen stattgefunden hatte, endete auch die internationale Bedeutung der Strecke. Zwar gastierten noch bis 1993 kleinere nationale Rennserien auf der Rennstrecke, aber auch hier wurden die Durchschnittsgeschwindigkeiten immer höher, sodass auch diese Serien auf die inzwischen viel sicheren permanenten Rennstrecken auswischen.
Danach verfielen die Anlagen der Rennstrecke mehr und mehr und wurden bis 1999 abgerissen und beseitigt.

Fotos von den Resten der Rennstrecke finden Sie in der Galerie „Diverse“.

Text: Manfred Muhr
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